Motivation und Mitarbeiterbeteiligung

In einer Wissensbilanz wird häufig auch das Thema der Motivation der Mitarbeiter angesprochen. Unter Motivation verstehen unterschiedliche Leute zuweilen sehr unterschiedliches. Es gibt enorme Forschungsbudgets, die sich mit der „Stimmung der Mitarbeiter“, ihrer „Einsatzfreude“, der „Loyalität“ zur Organisation, ihrer „Flexibilität zur Arbeit unter ungewöhnlichen Bedingungen“ befassen. Bei Google gibt es aktuell (2012) mehr als 57 Mio. Treffer zum Begriff „Motivation“ – allein in der deutschen Ausgabe. Englisch kommen nochmals 240 Mio. dazu. Insgesamt also 300 Mio. Hits und damit für jeden Europäer sein eigenes Motivationsschreiben.

Was genau verstehen wir unter Motivation?

Motivation kann als „Standardfaktor“ einer Wissensbilanz beispielsweise wie folgt definiert werden:

„Unter Motivation verstehen wir die Bereitschaft der Mitarbeiter sich einzubringen, Verantwortung zu übernehmen, Aufgaben engagiert zu erledigen und die Bereitschaft zum offenen Wissensaustausch. Typische Teilbereiche sind z.B. die Zufriedenheit mit der Arbeitssituation, Spaß bei der Arbeit, Identifikation mit dem Unternehmen, Erfolgserlebnisse und Erfolgsbeteiligungen.“

Aus der Moderation hunderter Bewertungsworkshoptage und anschließender Reflexion der Ergebnisse zeigt sich, dass sowohl der Begriff als auch die Definition emotional sehr beladen sind. Vielfach wäre der Begriff „Stimmung“ semantisch für das Gefühl, dass viele beschreiben, angemessener. Diese Stimmung ist aber ausgesprochen schwer „steuerbar“ und auch unter psychologischen Gesichtspunkte sehr komplex, um es vorsichtig auszudrücken.

Eine Alternative wäre daher ggf. „Engagement“, zur Abwechslung kein reiner Anglizismus, selbst wenn eine mögliche Interpretation, nämlich „Verlobung“, die sehr interessante wechselseitige Abhängigkeit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer beschreiben könnte. Man könnte den Begriff daher (http://de.wikipedia.org/wiki/EUCUSA-Methode#Engagement) definieren als:

„Engagement ist ein erstrebenswerter Zustand der Erfüllung, hervorgerufen durch Ausübung sinngebender Tätigkeit.“

Und damit kommen wir zu „Zufriedenheit“ … was aber auch als „Ergebnis“ nach (!) einer Anstrengung interpretiert werden könnte. Im Sinne der Ressourcensicht ist das die falsche Kategorie.

Besser wäre vielleicht die Duden-Interpretation: „[persönlicher] Einsatz aus [weltanschaulicher] Verbundenheit; Gefühl des (beruflichen) Verpflichtetseins zu etwas“. Der Einsatz oder die „Einsatzbereitschaft“ eines Mitarbeiters für seine Aufgabe … ist wohl aus Sicht der Zielerreichung ein Begriff, der die höhere Alarmierung im Vergleich zu „Motivation“ beschreibt?

Hier gibt es keine „einzige, richtige“ Beschreibung. Ich sehe in diesem Thema aber einen zentralen Komplex, der sich, wie ich später zeigen werde, auf die gesamte Organisation auswirken kann. Was unter Motivation verstanden wird und welche Implikationen die Stakeholder daraus ableiten ist ein wesentliches Konstrukt, das einen Unterschied macht. Vorläufig beziehe ich mich daher auf die oben beschriebene Standarddefinition.

Wie kann Motivation bewertet werden?

Die Bewertung von „Motivation“ oder auch „Einsatzbereitschaft“ ist etwas schwieriger als bei den typischen Einflussfaktoren des Intellektuellen Kapitals. Im Standardschema der Wissensbilanz gibt es drei Fragen für jeden Einflussfaktor, einen für Menge oder Quantität, einen für Qualität und eine zum Systematischen Management der Motivation, also zum Themenkomplex, was heute bereits getan wird, um künftig die Motivation hoch (genug) zu halten.

Für die Mengenfrage ist es möglich zu fragen, ob ausreichend viele Mitarbeiter motiviert sind, um die Ziele zu erreichen. Eine Antwort kann dann ja oder nein sein, oder etwas dazwischen, so in der Art: 80% sind motiviert, einige haben aber leider intern gekündigt und kommen nur zur Arbeit, weil sie das Geld brauchen und keine Alternative haben.

In diesem Fall wäre die Motivation digital vorhanden oder nicht. Die Differenzierung nach Menge ist also sehr schwer – konzentrieren wir uns daher auf eine andere Dimension, die es vielleicht besser trifft.

Eine alternative Frageoption bezieht sich auf die Qualität der Motivation. Hintergrund ist die These, dass man nicht „nicht-motiviert“ sein könnte, sondern ob die Motivation die richtige ist, um unsere Ziele optimal zu unterstützen. Konkret wäre der Mitarbeiter, der „nur für Geld arbeitet“ immerhin so motiviert, dass er unter der Bedingung der Bezahlung erscheint und bestimmte Aktivitäten leistet.

Wir könnten also fragen: Haben alle Mitarbeiter die richtige Motivation, um unsere Ziele zu erreichen?

  • Dann könnte sich zeigen, dass manche „übermotiviert“ sind und sich selbst ausbeuten.
  • Oder sie stehen in Konkurrenz zu einzelnen Kollegen und versuchen durch spezifische Leistungen ein bestimmtes Ziel zu erreichen.
  • Oder aber das Unternehmensziel ist nur zufällig ähnlich dem persönlichen Ziel, und jemand scheint motiviert für die Organisation zu arbeiten, obwohl er / sie ganz andere Prioritäten hat.
  • Oder ein Mitarbeiter verliert den Gesamtkontext und optimiert auf Kosten anderer Organisationsbereiche einen winzigen Teilbereich, weil dieser sein besonderes Interesse genießt.

Viele weitere Optionen sind denkbar – letztlich geht es hier um die Explizierung, um die Begründung einer Einschätzung relativ zu einem Ziel.

Management von Motivation

Abhängig von der Bewertung der Motivation kann sich ergeben, dass sie in einer spezifischen Organisation zu entwickeln wäre. Dann stellt sich aber die Frage nach den Ursachen und Wirkungen. Einflussfaktoren auf MOTIVATION sind typischerweise:

  • Führungskompetenzen
  • Soziale Kompetenzen der Kollegen
  • Interne Kommunikation (ebenfalls abhängig von den Führungskompetenzen)

Wir sehen in vielen Wissensbilanzen, dass der Faktor „Motivation“ mit sehr vielen anderen Einflussfaktoren assoziiert wird. Interessant ist, welchen Unterschied die Art der Fragestellung und die Erhebung der Antworten auf die Ergebnisse, insbesondere auf die Einschätzung des Einflusses auf den Erfolg haben.

Bei wenig sensibilisierten Gruppen gibt es oft eine geteilte Basisauffassung, dass „mehr Motivation“ auf jeden Fall möglich wäre.

Auf die Frage aber, woran genau man denn den Unterschied festmachen könnte, fehlt dann sehr häufig eine konkrete Antwort. Auf Nachfrage kommen dann doch Vorschläge: Motivation wirkt sich (angeblich) positiv auf die Innovation aus. Bisher ist es mir nicht gelungen, den Nachweis dazu zu führen – obwohl ich den grundsätzlichen Zusammenhang nicht abstreiten würde. Ohne „Wollen“, kommt es nur selten zu echten Durchbrüchen – das ist trivial.

Der Punkt ist aber, dass nur sehr wenige Organisationen „innovativ“ sind. Ich meine damit, wirklich neue Wege gehen, nicht eine weiße Verpackung durch Blümchenpapier „kreativ“ zu verbessern. Als Argument für diese – zugegeben sehr brutale – Aussage beziehe ich mich auf die klassischen Innovationsindizes.

Die meisten Maßnahmen, die (häufig intuitiv) als „motivierend“ genannt werden sind ebenfalls nicht innovationsförderlich:

  • mehr Geld oder eine Anreizsystem: das mag kurzfristig Freude machen, keine Frage. Kann durch etwas Geld – sagen wir 10%-100% eines Monatsgehalts – wirklich die Energie freigesetzt werden, die es braucht, eine Idee bis zur Marktreife zu betreuen?
  • Schulungsmaßnahmen zur besseren Karrierenentwicklung: Im Sinne der generellen Entwicklung von Humankapital kann das ein Teil der Systematik sein, die, wenn sie mit dem freiwilligen Interesse für ein Thema zusammenfällt, sehr positiv wirken kann. Innovationsförderlich aber kann diese Form der Motivation wohl nur dann sein, wenn auch das Thema und die Ausrichtung des Seminars GENAU auf die Fragestellung wirken.
  • Betriebsfeste wirken ebenfalls anerkennend und motivieren. So sagen manche. Befragt nach der (freiwilligen) Teilnahmequote, etwa an Weihnachtsfeiern kann sich aber schnell herausstellen, dass dies „außerhalb der Arbeitszeit“ nur für wenige wirklich attraktiv scheint, häufig sogar als lästige Pflicht gesehen wird.

Verbreitete (riskante?) Sichten zu Motivation

Nach diesen durchaus kritischen Überlegungen möchte ich noch eine typische Darstellung über die vermutete Wirkung von Motivation und anderen Humankapitalfaktoren auf die Geschäftsprozesse zeigen:

Das Bild zeigt einen Ausschnitt aus einer Wissensbilanz, wie er relativ häufig vorkommt. Diese extreme Ausprägung (es handelt sich um Originaldaten) zeigt eine „Lehrbuchsituation“, die das Problem besonders gut trifft. Eingeblendet sind (zur Vereinfachung) Humankapitalfaktoren und Geschäftsprozesse aus einem Softwareunternehmen. Interessant ist die deutliche Konzentration der Wechselwirkungen genau auf diesen Faktor Motivation.

  • Wie kann es sein, dass aus Sicht der Mitarbeiter Motivation insgesamt deutlich stärker auf die Prozesse wirkt, als etwa Führungskompetenz, wo doch durch Zielvorgaben und Feedbacks permanente Anpassungen erfolgen müssten? (Von Führungskompetenz gehen „nur drei Wirkungen aus, davon nur eine zu den Prozessen)
  • Wie kann es sein, dass aus Sicht der Mitarbeiter Motivation stärker wirkt als Fachkompetenz, in die doch viele Jahre der Ausbildung investiert wurden und die – zumindest nach der Doktrin der Wissensgesellschaft – unser (gemeint ist „westlicher“) letzter Wettbewerbsvorteil wäre? (auch bei Fachkompetenz sehen diese Mitarbeiter nur eine (starke) Wirkung auf einen Prozess)
  • Wie kann es sein, dass aus Sicht der Mitarbeiter die Umsetzung der Fachkompetenzen von der (zufälligen?) Stimmung abhängt (siehe Beziehung HK4-HK1), wo wir doch mit einer „professionellen“ Arbeitseinstellung ans Werk gehen? Vergessen Sie dabei nicht, das Bild stammt von einer Organisation der angeblich „emotionslosen“ Softwarebranche. Wir leiben hier also mit einem Risiko, dass die vorhandene Fachkompetenz mangels „Motivation“ nicht wirksam wird.

Diese Fragen sind zumindest interessant. Die Organisation hatte in der Tat ein enormes Risiko im Bereich des Humankapitals, das zwei Jahre später auch schlagend wurde. Wie aber gehen wir nun damit um? (Die Antwort liegt offensichtlich in einem klaren Auftrag an alle Führungskräfte, diese Ansichten zu hinterfragen und durch intensive kommunikative Maßnahmen allenfalls anzupassen.)

Beitrag der Wissensbilanz: durch Beteiligung und Erarbeitung von gemeinsamem Kontext zur Motivation in einer Organisation

  • Der Prozess der Wissensbilanzierung an sich nach der Methode „Wissensbilanz – made in Germany“ wird von den Beteiligten regelmäßig motivierend wahrgenommen, weil er durch die partizipative Struktur Möglichkeiten zur Kommunikation bietet.
  • Durch die intensive, systematische Interaktion mit Kollegen zu Themen, die sonst aufgrund operativer Prioritäten nicht bearbeitet werden können, werden Ursachen für unterschiedliche Interpretationen zu an sich „gleichen“ Basisszenarien klar und ermöglichen nicht nur Verständnis zur Position der Kollegen sondern zeigen direkt neue Handlungsoptionen, die eine attraktivere Entwicklung unterstützen.
  • Im Zuge der Erarbeitung einer Wissensbilanz werden neue Bilder erzeugt, die die Zusammenhänge einzelner immaterieller Faktoren ganzheitlich darstellen und damit zur Sinnstiftung beitragen. Die Mitarbeiter verstehen nun besser, wie genau ihre Organisation funktioniert und welche (Aus-)Wirkung ihre Beiträge haben (könnten).
  • Genau dieser SINN war gemeint, als wir oben die Definition von Engagement untersuchten – ein Zustand der Erfüllung nach Ausführung einer bestimmten Tätigkeit.

Einschränkend auf die motivierende Wirkung des Erstellungsprozesses eine Wissensbilanz kann die Gestaltung der Agenda sein. Manchmal erfordert das zu dichte Programm etwa aus (Opportunitäts-)Kostengründen einen kontinuierlich hohen Konzentrationsbeitrag aller Beteiligten und nimmt in Kauf, einzelne zu verlieren. Ausreichend Zeit und Raum zur Diskussion sowie eine professionelle Moderation tragen zur Zielerreichung besser bei.

Eine relativ offensichtliche negative Nebenwirkung der Wissensbilanz entsteht – wie auch bei anderen Projekten mit Phasen hoher Erwartungshaltung – wenn nach der Diagnose und erfolgreichen Definition von Entwicklungsschritten die Umsetzung einschläft. Dies wird insbesondere bei der wiederholten Durchführung deutlich negativ sichtbar. Die Umsetzung von Maßnahmen sollte daher nicht zuletzt aus Gründen der Aufrechterhaltung (nicht für den Aufbau) der Motivation hohe Managementaufmerksamkeit erhalten.

Zusammenfassend zeigt sich, dass die strukturierte Arbeit in einem Team zur systematischen Reflexion der Entwicklung einer Organisation (durch die Wissensbilanz) als sinnvoll wahrgenommen wird und damit unmittelbar „motivierend“ – im Sinne von antreibend – wirkt, die nächsten Schritte auch tatsächlich auszuführen. Und das auch unter Ausgangsbedingungen, die manchmal als „nicht-optimal“ beschrieben werden.